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Bau einer Shubuã 

In dem Huni Kuin Dorf Mati Txana Mukaya

Kurzfassung

 

Dieses Projekt war der Samen für die Gründung unseres Vereins Erdbewegung e.V. - Bestrebt von dem Wunsch, das Dorf „Mati txana Mukaya“ der indigenen Volksgruppe Huni Kuin im Brasilianischen Amazonas mit dem Bau einer Shubuã (das Gemeindehaus des Stammes) zu unterstützen, kam die Idee auf, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, um uns über dieses konkrete Projekt hinausgehend für unsere Ideale und einen ersehnten und notwendigen Wandel in der Gesellschaft zu engagieren.

 

Über ein Jahr haben wir über die Spendenplattform betterplace.org Spenden gesammelt für die Umsetzung dieses Projektes. Im Februar 2019 wurde die Spendenkampagne mit der Hilfe vieler lieber SpenderInnen und UnterstützerInnen abgeschlossen und unsere Vereinsmitglieder André und Clara haben sich auf den Weg in den Brasilianischen Amazonas gemacht.

 

Im folgenden eine ausführliche Projektbeschreibung zur Spendenkampagne und Realisierung des Projektes von André und Clara.

Ausführliche Projektbeschreibung

Wie alles begann

Als gebürtiger Brasilianer begann unser Gründungs- und Vorstandsmitglied André bereits als Jugendlicher, sich mit der nativen Bevölkerung seines Landes auseinanderzusetzen. Mit Anfang 20 fanden die ersten Begegnungen mit den Huni Kuin statt und einerseits wuchs Andrés Faszination für den Schatz an Wissen und Weisheit, den das Volk bis heute bewahrt hatte. Andererseits wurde er auch aufmerksam auf die Probleme und Herausforderungen, denen die Huni Kuin und andere indigene Bevölkerungsgruppen im Amazonas durch die Einflüsse von Außen gegenüberstanden - Waldrodungen, illegaler Landraub, Wasserverschmutzung und der Verlust der Traditionen, um einige zu nennen. Schon in dieser Zeit entstand ein erster, noch unkonkreter Wunsch, die Huni Kuin bei der Überwindung dieser Herausforderungen zu unterstützen. Im August 2016 verbrachte André eine Zeit in dem Dorf Mati txana Mukaya bei den Huni Kuin. In dem Dorf, in dem ca. 100 junge und alte Menschen leben erhielt er bei seinem Aufenthalt vom cacique (Häuptling) die Anfrage um Unterstützung für den Bau einer Shubuã. Seine Reisen und Beziehungen brachten ihn in den folgenden Jahren nach Deutschland, wo im Austausch mit Freund*innen und seiner Partnerin die Idee entstand, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, um nicht nur dieses Projekt umzusetzen, sondern um auch darüber hinaus an einem Wandel unserer Gesellschaft aktiv mitzuwirken.

Die Spendenkampagne

Über ein Jahr haben wir auf der Spendenplattform Betterplace Spenden für die Umsetzung des Projektes gesammelt.

Realisierung

Verwendung der Spendengelder Insgesamt konnten über die Spendenkampagne 2.978,00€ gesammelt werden. Abzüglich der Transaktionskosten von Betterplace von 74,46€, Überweisungsgebühren des Geld-Transferservices Transferwise von 33,42€ und dem Umrechnungskurs von Euro in die Brasilianische Währung Real, standen uns 12,138,53 Real zur Verfügung. Mithilfe der Spendengelder konnte die gesamte Bedarfsliste, welche uns vorher vom Dorf zusammengestellt worden war, umgesetzt werden. Diese setzte sich wie folgt zusammen: 3.400,00 BRL Motorsäge 545,00 BRL Zubehör Motorsäge (Schleifsteine, Extra Kette, Extra Öl, Stiefel) 3.784,00 BRL Werkzeuge und Zubehör (Schaufeln, Rechen, Sägen, Macheten, Hammer, Nägel, Schrauben, Muttern, …) 800,00 BRL Töpfe 143,80 BRL Fischerzubehör 3450,00 BRL Benzin

Unsere Anreise

Da wir zum Zeitpunkt des Abschlusses der Spendenkampagne sowieso schon in Südbrasilien bei Andrés Familie waren, machten wir uns nach Absprache mit einigen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft „Mati txana Mukaya“ auf den in das im Amazonas gelegene Bundesland Acre. In der Stadt Tarauacá, welche die nächstgelegene Stadt inmitten des Amazonas zum Stamm ist, trafen wir auf das Stammesoberhaupt der Dorfes, Txana Mashã mit seiner Familie, sowie weitere Mitglieder der Huni Kuin Gemeinschaft. Das Dorf, in dem die Shubuã gebaut werden sollte ist Teil von einem geschützten Huni Kuin Land am Humaitã Fluss, welches fünf Dörfer umfasst. Etwa +-3 Tage Bootsreise (abhängig davon, wie voll der Fluss ist) flussaufwärts von der Stadt Tarauacá entfernt, liegt „Mati txana Mukaya“ als erstes der fünf Dörfer. Innerhalb von vier Tagen wurden in Tarauacá die Einkaufsliste für das Projekt durchgegangen, alle Besorgungen erledigt und die Boote beladen, um die Reise nach Mati txana Mukaya anzutreten.

Ankunft im Dorf

 

Nach zwei Tagen Bootsfahrt kamen wir im Dorf an und wurden freudig willkommen geheißen. In dem Dorf, in welchem knapp 80 alte und junge Menschen leben, konnten wir in einem zentral gelegenen Haus mit der Familie des Häuptlings Txana Mashã unterkommen. Noch gespannter wurde auf das Eintreffen der Werkzeuge und Baumaterialien gewartet – die alte Shubuã war bereits vor einem Jahren abgerissen worden und das Dorf hatte kein Zentralhaus mehr.

Bau der Shubuã

Zwei Tage nach unserer Ankunft wurde mit dem Bau begonnen. Alte sowie junge Dorfbewohner*innen halfen von morgens bis Abends auf der Baustelle. Für die von den Spendengeldern gekaufte Motorsäge wurde eine Außenstehende Person mit Arbeitserfahrung in das Dorf geholt, um den Bau zu unterstützen und verschiedene Personen aus dem Dorf einzulernen. Eine Ernüchterung gleich zu Beginn war für uns, dass sich die DorfbewohnerInnen dafür entschieden hatten, das Dach der Shubuã aus Wellblech zu bauen und wir können uns vorstellen, dass auch einige Leser*innen an dieser Stelle stutzen werden. Wir von Erdbewegung waren fest davon ausgegangen, dass das Dach der Shubuã im traditionellen Stil aus Palmblättern gebaut werden wird. Die Dorfbewohner*innen begründeten ihre Entscheidung wie folgt: Bevor die Huni Kuin vor circa 90 Jahren kontaktiert und versklavt wurden, lebten sie nomadisch und bauten ihre Hausdächer traditionell mit Palmblattdächern. Palmblätter bringen eine kurze Haltbarkeit mit sich und müssen regelmäßig ausgetauscht werden. Als nomadisch lebendes Volk war diese kurze Haltbarkeit kein großes Problem, denn durch ihr regelmäßiges Weiterziehen kamen sie immer wieder an neuen Palmblattbeständen vorbei. Seit ihrem Kontakt zur modernen Zivilisation leben die Huni Kuin in festen Dorfstrukturen. Bei einer regelmäßigen Ernte werden die Palmblattbestände im nahen Umkreis mit der Zeit natürlich kleiner und es müssen weitere Strecken zurückgelegt werden, sodass der Arbeitsaufwand immens sei. Dieses Argument war für uns natürlich sehr einleuchtend. Gleichzeitig hatte für uns das Wellblech aus ökologischer Sicht weiterhin einen sehr bitteren Beigeschmack. Da das Wellblech aber schon ohne unser Wissen vor unserer Ankunft besorgt worden war, war der Raum für Austausch über eine eventuelle Umstrukturierung des Bauplans nicht gegeben. Auch war und ist es uns als Verein wichtig, sensibel in Bezug auf den weißen Retter*innenkomplex (engl. white saviorism) zu sein. Das bedeutet eine Arbeit auf Augenhöhe und den Menschen vor Ort zuzuhören, anstatt unsere Meinung aufzudrängen. Es bedeutet, den Personen vor Ort nicht die Expertise über ihre eigene Lebenssituation abzusprechen. Natürlich ist es für uns als Außenstehende leicht gesagt, dass es schöner und vor allem nachhaltiger ist, wenn das Haus aus Naturmaterialien gebaut wird. Aber letztlich sind es nicht wir, die alle Jahre wieder Kilometer weit in den Wald laufen müssen, um die Palmblätter zu ernten.  Wir sind uns sicher, dass es neben den Palmblättern und dem Wellblech eine geeignete Lösung für die Thematik des Dachbaus gibt, welche sowohl den Aspekt der Nachhaltigkeit abdeckt, als auch weniger Arbeitsaufwand mit sich bringt. In den wenigen Tagen, die wir vor Ort waren und unter Anbetracht der Tatsache, dass die Dorfgemeinschaft bestrebt war, mit dem Bau zu starten wäre jedoch eine gemeinsame Lösungsfindung auf Augenhöhe zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen. So schlossen wir für dieses Projekt den Frieden mit dem Verlauf, nahmen die Impulse und Ideen mit für weitere Projekte und los ging es mit dem Bau der Shubuã mit ihrem Wellblechdach.  Da am kommenden Wochenende eine große Jahresversammlung mit den Stammesoberhäupen der anderen am Humaitá Fluss gelegenen Huni Kuin Dörfer stattfinden sollte, bestand das ehrgeizige Ziel, die Shubuã in fünf Tagen fertigzustellen. Trotz des vielen durch die Regenzeit bedingten Niederschlags wurde kontinuierlich an der Baustelle gearbeitet. Freitags stand der Grundriss mit Dach, die Gäste konnten empfangen und die Shubuã mit Zereomonien voller wertvoller Arbeit, Tänze und Musik eingeweiht werden. Bis zu unserer Abreise wurde nach dem Freitag nicht weiter an der Shubuã gebaut. Die weiteren Baupläne beinhalten 1,5m hohe Außenwände aus Holz, die einmal ringsherum gehen. Dieser traditionelle Baustil schafft zum einen etwas mehr Geborgenheit im inneren der Shubuã, lässt gleichzeitig aber immer noch ausreichend Licht und frische Luft hinein, da die Wände nur etwa zur Hälfte vom Boden bis zum Dach gehen. Auch waren weitere Feinheiten geplant, wie etwa eine Verlängerung des Dachs an allen Seiten, um bei Regen zu verhindern, dass die Sitzbänke nass werden, sowie Bemalungen an Pfeilern und Wänden mit den traditionellen kené (Zeichen/Muster). Sobald wir Fotos von der fertigen Shubuã zugeschickt bekommen, werden wir diese hier mit euch teilen.

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Fazit

 

Im Großen und Ganzen waren wir mit dem Projektablauf und auch mit dem Endergebnis inklusive aller Hoch- und Tiefpunkte sehr zufrieden. Dass die Spendenkampagne abgeschlossen wurde, zwei Vereinsmitglieder die Möglichkeit hatten, kurzfristig in den Amazonas zu reisen und mit den ProjektpartnerInnen zeitlich alles abgestimmt werden konnte, glich für uns beinahe einem Wunder. Auch konnten alle Punkte auf der Bedarfsliste kurzfristig besorgt werden. Der Kern des Projektes, der Bau der Shubuã, wurde innerhalb von fünf Tagen umgesetzt und hat mit der 3-tägigen Versammlung aller Stammesoberhäupte einen krönenden Abschluss gefunden.

Die Thematik des Wellblechdachs und generell die Materialfrage in den Dörfern durch den unvermeidbaren Einfluss von außen lässt uns auch im Nachhinein nicht los. ​Erste Bilder und Visionen von Permakultur- und Agrowald für zukünftige Projekte entstehen. Klar ist, dass unsere Zusammenarbeit mit den Huni Kuin an dieser Stelle nicht abgeschlossen ist. Dieses Gefühl verstärkt sich auch durch unsere Einblicke während der Vollversammlung, in welcher die Huni Kuin die Komplexität der Konflikte, mit denen sie am Humaitã und auch in anderen Regionen konfrontiert sind geschildert haben. Darunter fallen unter anderem illegaler Landraub, Waldrodung, die Gefahr des Verlusts der eigenen Sprache und Kultur. Die Huni Kuin erkennen einen großen Wert darin, sich mit der Außenwelt zu vernetzen, um diesen Problemen nicht alleine gegenüberzustehen und mehr Handlungsmöglichkeiten zu haben. Auch für uns ist klar, dass wir weiterhin diesen langen, verschlungenen, kunterbunten und magischen Weg durch den Wald beschreiten und euch hoffentlich auf die ein oder andere Art und Weise darauf mitnehmen möchten. Wie, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.

Wir möchten uns von ganzem Herzen für eure materielle sowie immaterielle Unterstützung bedanken. Unser erstes Vereinsprojekt realisieren zu können, hat einen riesigen Erfolgsmoment für uns als junger Verein dargestellt.

 

Falls ihr Fragen zu dem Projekt oder Anregungen habt, freuen wir uns wie immer über eure Nachrichten!

 

Haux Haux

André & Clara

PS: Zum Abschluss noch ein paar persönliche Eindrücke von unserer Zeit bei den Huni Kuin.

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